Die Preisbildung auf Basis der VOB/ B im Wandel der Zeit

Einschlägig in der Welt der Baubetriebler ist die Anwendung des leider im Vertragsverhältnis oftmals nicht durchgreifend herangezogenen § 2 Abs. 3 der VOB/ B. Demnach besteht nämlich die Möglichkeit, sofern es zu Mengenabweichungen innerhalb einer Vertragsposition um mehr als 10% in Bezug auf die vertragliche Vordermenge (oder besser Ausschreibungs-/Kalkulationsmenge) kommt, den vertraglichen Einheitspreis anzupassen.

Begehrt eine Vertragspartei eine Einheitspreisanpassung, so gilt diese Anpassung vom Grundsatz her bei einer Mengenminderung für die gesamte (unterhalb der 90%-Grenze befindlichen) abrechenbaren Menge. Erfolgt jedoch eine Mengenmehrung, so gilt bis zur Obergrenze von 110% der vertraglich vereinbarte Einheitspreis. Für die 110% übersteigende abrechenbare Menge besteht dann die Möglichkeit einen neuen Einheitspreis zu vereinbaren.

Baubetriebliche Logik hinter diesem Verfahren ist zunächst, dass dem AN die über eine Umlage in die Einheitspreise einkalkulierten Deckungsbeträge für Baustellengemeinkosten (BGK), Allgemeine Geschäftskosten (AGK) sowie Wagnis und Gewinn (W&G) auch bei Mengenabweichungen größer 10% erhalten bleiben sollen. Dieses Interesse verfolgt der AN natürlich bei Mengenabweichungen „nach unten“. Im Umkehrschluss soll im Sinne des Äquivalenzverhältnisses bei Mengenabweichungen „nach oben“ aus Sicht des AG eine Überzahlung vermieden werden. Somit erfolgt für Mehrmengen (in der Regel) lediglich eine Fortschreibung für die Umlageanteile für AGK und W&G (typisch umsatzabhängige Preisbestandteile).

Sofern Mengenabweichungen preisbeeinflussende Auswirkungen auf die Einzelkosten der Teilleistung (EkdT) mit sich bringen (denkbar u. a. bei Abruf/ Entsorgung von Erdbaustoffen: hohe Nachfrage – kostengünstiger, verringerte Nachfrage – kostensteigernd), können auch solche Preisbestandteile angepasst werden.

Grundvoraussetzung für die Anwendung des § 2 Abs. 3 VOB/B ist, dass die Mengenabweichung >10% ohne Einwirken des AG, also kein wissentliches Eingreifen, erfolgt. (sonst Änderungsanordnung – § 2 Abs. 5 VOB)

Erfahrungsgemäß erfolgt die Einheitspreisanpassung regelmäßig auf Basis der Urkalkulation und somit unter Fortschreibung der ursprünglich einkalkulierten EkdT nebst dem prozentualen Anteil der jeweiligen Umlageanteile.

Dieser (vorkalkulatorischen) Herangehensweise hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 08.08.2019 (Az.: VII ZR 34/18) einen Riegel vorgeschoben. Der streitige Sachverhalt basierte auf einem Begehren des AG, infolge einer Mengenmehrung eine Einheitspreisanpassung zu vereinbaren. Dieses jedoch unter Mitteilung der tatsächlichen Kosten, welche dem AN entstanden sind.

Diese tatsächlichen Kosten, unter Berücksichtigung des urkalkulierten Umlagebetrags, beabsichtigt der AG für die tatsächliche Mehrmenge zu vergüten.

Somit ergab sich statt der geforderten (vertraglicher Einheitspreis) 462,00 €/to ein modifizierter Einheitspreis von (dem Anschein nach baubetrieblich nicht vollständig korrekt nachkalkulierten) 150,40 €/to, welche das Berufungsgericht als berechtigt ansah.

Ausgangsituation der Entscheidungsfindung ist gewesen, dass der § 2 Abs. 3 Nr. 2 eben nur auf die Berücksichtigung der Mehr- und Minderkosten abstellt. Ein Rückgriff auf Urkalkulationsdaten wäre hierbei nicht maßgeblich. Demnach ist es an den Vertragspartnern gelegen, eine Vereinbarung bezüglich eines modifizierten Einheitspreises herbeizuführen. Gelingt dieses nicht, so hat die VOB/B im besagten Paragraphen eine Lücke, welche durch Nachweis der tatsächlichen Kosten zu schließen wäre.

Die Berücksichtigung des urkalkulierten prozentualen Umlagebetrages war möglich, da dieser nicht durch den AG in Abrede gestellt wurde.

Es ist also festzuhalten, das im Zuge einer nicht möglichen Einigung bei der Findung eines modifizierten Einheitspreises bei Mengenabweichungen >10% unter Hinzuziehung der VOB/ B-Regelungen nicht auf die dann streitig gestellte ursprüngliche Preisherleitung der jeweilig Vertragsposition abzustellen ist.

Eine bahnbrechende Vorgabe des Bundesgerichtshofes.

Denn es stellt sich nunmehr die Frage, wie in dieser Verbindung mit streitigen Nachtragsleistungen auf Basis der VOB/B umzugehen sein soll. Denn auch im § 2 Abs. 5 der VOB/ B ist für die neue Preisvereinbarung infolge durch den AG angeordneter Leistungsänderungen die Berücksichtigung der Mehr- und Minderkosten zugrunde zu legen.  Der Wortlaut ist hierbei mit dem § 2 Abs. 3 Nr. 2 deckungsgleich.

Selbst der § 2 Abs. 6 (Zusatzleistung) bezieht sich abschließend auf die Berücksichtigung der „besonderen Kosten der geforderten Leistung“.

Legt man nun die Absicht des BGH zugrunde, dass es im Interesse der Vertragsparteien zu keiner besser/schlechter-Stellung kommen solle, als dieses im Urvertrag manifestiert ist, so wäre die Entscheidung zum § 2 Abs. 3 VOB/ B auch auf Nachtragsleistungen übertragbar.

Aber was bedeutet diese Rechtsauffassung aus baubetrieblicher Sicht?

Die Auffassung der projekt-bau GbR war schon immer, dass die Preisbildung in der Angebotsphase innerhalb einer durchgreifenden und umfassend dokumentierten Urkalkulation stattzufinden hat. Die jeweils erforderlichen Teilleistungen und die darauf begründeten Kalkulationsannahmen sind in der Kalkulation baubetrieblich nachvollziehbar und plausibel zu integrieren. Dieses schafft im Bedarfsfall zwischen den Vertragspartnern einerseits Vertrauen. Andererseits wird die Durchsetzbarkeit von Kostenänderungen aus Sicht des AN gestärkt.

Aber auch für den AG ist dieses hilfreich. Denn letztlich muss dieser die Vergütungsänderungen vertreten und als berechtigt dokumentieren. Vor allem öffentliche AG sollten hier ein berechtigtes Interesse verfolgen.

Weiterhin ist die Möglichkeit gegeben, erhöhte EkdT „IST-Kosten“ nachzuweisen, so dass dem AN keine unkalkulierbaren Risiken (also Verluste) entstehen.

Aus Sicht des AG ist in Bezug auf die Urpreise ein baubetriebliches Preisgefühl immanent. Gehen wir davon aus, dass der AG nicht darauf bedacht sein sollte, regelmäßig um modifizierte Preise „zu streiten“. In dieser Verbindung entsteht dann das berechtigte Interesse, sich einer unsachlichen Abrechnung entgegenstellen zu können und zumindest im Bereich von Vertragsmodifikationen auf Basis des § 2 VOB/B ein Äquivalent zwischen Leistung und Abrechnung zu realisieren.

Unter Zugrundelegung des BGH-Urteils würden sich Kalkulationschancen sowie Kalkulationsrisiken ausschließlich innerhalb des Hauptvertrages verwirklichen.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass in Verbindung zum neuen Bauvertragsrecht vom 01.01.2018 in Bezug auf Leistungsmodifikationen die baubetriebliche Expertise mehr denn je gefragt ist. Vor diesem Hintergrund steht die projekt-bau GbR den jeweiligen Vertragspartnern qualifiziert und vertrauensvoll zur Seite.