Vergabeverzögerung vs. Entschädigungsansprüche – Was nun?

Das Kammergericht hatte sich mit einem interessanten Sachverhalt auseinanderzusetzen, bei welchem ein späterer Auftragnehmer (folgend AN) Entschädigungsansprüche infolge einer Vergabeverzögerung begehrt. Das Kammergericht hat mit (nicht rechtkräftigem, Revision zugelassen) Urteil vom 29.01.2019 (Az.: 21 U 122/18) entschieden, dass einem verzögert beauftragten AN ausschließlich diejenigen Nachteile auszugleichen wären, welche der Höhe seiner (Bereitstellungs-)Kosten zuzuordnen sind. Dieses für denjenigen Zeitraum des Annahmeverzuges. Der Annahmeverzug sollte demnach nur der Zeitpunkt ab der ursprüngliche Zuschlagsfrist bis zur tatsächliche Beauftragung sein dürfen. Tatsächliche Umsatzverluste für den Zeitraum des Annahmeverzugs wären nach Ansicht des Kammergerichts nicht auszugleichen.

Das bedeutet, dass der Bieter respektive potenzielle AN einen Ausgleich für denjenigen Zeitraum verlangen kann, bis es zur Beauftragung kommt. Hält der Bieter innerhalb dieses Zeitraums Ressourcen für den Auftragsfall frei, so könnten dem späteren AN diese Bereitstellungskosten ausgeglichen werden. Diese Ansicht deckt sich mit dem Urteil des BGH vom 26.10.2017 (Az.: VII ZR 16/17), welches in der Bauwelt hohe Wellen geschlagen hat. Allerdings bezieht sich dieses auf Verzögerungen durch Vorunternehmer, also bereits innerhalb des Vertragsverhältnisses. Ein Ausgleich des Umsatzverlustes und der damit unter anderem einhergehenden Unterdeckung von Gemeinkosten des Unternehmens sei nach Ansicht des Kammergerichts nicht interessengerecht. Dieses auch vor dem Hintergrund, dass dieser mögliche AN schließlich die Möglichkeit habe, Aufträge aus seinem Bestand abzuarbeiten.

Aus baubetriebswirtschaftlicher Sicht wirft diese rechtliche Ansicht natürlich (mal wieder) einige Fragen auf. Aber der Reihe nach:

Annahmeverzug:

Aus baubetrieblicher Sicht ergibt sich ein Annahmeverzug, wenn eine Leistung zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erbringen war (Vertragspflicht) und die ausführende Vertragspartei in der Lage gewesen wäre, diese Leistung zu erbringen (tatsächlicher Leistungswille). Ausgelöst wird der Annahmeverzug dadurch, dass die Leistungsbereitschaft dem Auftraggeber angezeigt wird. Einschlägig ist hierfür die Vorlage einer Behinderungsanzeige gemäß § 6 Abs. 1 VOB/ B erforderlich. Allerdings kommt der Teil B der VOB erst nach Vertragsabschluss in Betracht. In der Angebotsphase existiert dieser Abschnitt also dem Grunde nach noch gar nicht.

Bestandsaufträge:

Aus baubetriebswirtschaftlicher Sicht greift diese Ansicht des Kammergerichts nicht durch. Erlöse aus dem Bestand dienen lediglich dazu, die grundsätzlich einkalkulierten Deckungsbeträge zu erwirtschaften (sowieso-Aufträge). Die zurückgehaltenen Ressourcen werden dann auf dieser „Drittbaustellen“ lediglich geparkt. Schließen sind diese „arbeitsfrei“ um neue Aufträge im Sinne des Unternehmens abzuarbeiten. Zusätzliche Kostendeckung im Sinne des Unternehmens werden hier jedenfalls nicht erlöst. Lediglich neu akquirierte Aufträge (sog. Füllaufträge) können sich in Anlehnung an den § 642 BGB aus baubetrieblicher Sicht (mindestens) kostenmindernd auswirken.

Unternehmensrisiko:

Grundsätzlich kann der Bieter (potentielle Auftragnehmer) nicht zwingend davon ausgehen, dass dieser den verzögerten Auftrag erhält. Der Unternehmer muss regelmäßig davon ausgehen, dass dieser, dem öffentlichen Wettbewerb unterliegend, weiterhin am Markt tätig sein muss, um Aufträge zu genieren (vgl. BGH vom 26.04.2018 – Az.: VII ZR 81/17). In Betracht käme daher zunächst nur der Gedanke, dass dem späteren Auftragnehmer der Anspruch auf Preisanpassung zugesagt werden könnte, sofern sich Bauleistungen derart zeitlich verschieben, dass die einkalkulierten Preise nicht mehr gehalten werden können. Dieser Anspruch sollte sich plausibel darstellen lassen, sofern infolge der Vergabeverzögerungen Vertragsfristen nicht mehr eingehalten werden können (Kausalzusammenhang Vergabeverzögerung, lineare Verschiebung).

 

Es wird mit Spannung abzuwarten sein, wie der BGH in Verbindung zu seinen nahe zurückliegenden Entscheidungen nunmehr Stellung bezieht. Fest steht jedoch weiterhin, dass in solchen Fällen, ob Bauzeitverlängerungen oder auch Vergabeverzögerungen, die Dokumentation im Unternehmen eine mehr und mehr größere Bedeutung bekommt. Hier ist projekt-bau für Sie tätig und unterstützt Sie, um die Wirtschaftlichkeit Ihres Unternehmens zu sichern.