Auswirkungen unvollständiger beziehungsweise unklarer Leistungsbeschreibungen

Im Zuge des Neubaus eines Universitätsgeländes sind großformatige Entwässerungsrinnen im Baufeld zu verlegen. Den Verdingungsunterlagen liegen Ausführungszeichnungen des Auftraggebers (AG) für diese Rinnenkörper bei. Der AG gibt in der Leistungsbeschreibung keine Angaben bezüglich der zugrunde zulegenden Expositionsklassen sowie der Betongüte und Lastannahmen vor.

Im Auftrag des Auftragnehmers (AN) ist die Erstellung einer Werkplanung sowie die Lieferung und der fachgerechte Einbau dieser Rinnenkörper enthalten. Ebenfalls sind Freigabefristen für Statik und Werkplanung vertraglich vereinbart und durch den AN in seinem SOLL-Bauzeitenplan berücksichtigt.

Nach Auftragserhalt ist es erforderlich, die Statik der Rinnenkörper umgehend zu erstellen. Der AN fordert den AG auf, seiner Mitwirkungspflicht nachzukommen und die in der Leistungsposition fehlenden Angaben bezüglich Expositionsklasse und Lastannahmen nachzukommen. Der AG reagiert zunächst nicht.

Auf Basis der Regeln der Technik und den heranzuziehenden DIN-Normen erstellt der AN eine Statik mit dem Ergebnis einer teilweise um 5,0 cm stärkeren Wandung als beauftragt. Mitverantwortlich hierfür sind auch die durch den AN (berechtigt) getroffenen Lastannahmen (Verkehrslasten im Gelände). Diese Ausführung würde zu signifikanten Mehrkosten führen (sechsstelliger Betrag).

Nach zeitgerechter Abgabe der Statik regt sich der AG zunächst weiterhin nicht. Nach Ablauf der Prüffrist stellt der AN sachgerecht Behinderungsanzeige. Daraufhin bewegt sich der AG mit dem Wunsch, dass der AN doch anderweitige Annahmen treffen möge, mit welchen die ausgeschriebenen Wandungsstärken eingehalten werden könnten.

 

Daraufhin meldet der AN unverzüglich schriftlich Bedenken gegen eine statisch unzureichende Ausführung an und teilt dem AG fachgerecht eventuelle Folgeauswirkungen mit. Ebenfalls bittet der AN um schriftliche Anordnung, welche Annahmen er in seiner Statik treffen solle.

Der AG kommt diesem nicht nach.

Der AN befindet sich in einer Zwickmühle. Einerseits ist er leistungsbereit und führt vor Ort mögliche Vertragsleistungen aus. Andererseits liegen die Unklarheiten und eventuellen Folgen einer mangelhaften Ausführung auf der Hand. Hinzukommen die durch den AG nicht erfolgten Anordnungen, auf welche Weise letztlich gefertigt werden solle (keine Werkplanung möglich).

Der AN dokumentiert (Behinderungsanzeigen und Bedenkenanmeldungen) über ein Zeitfenster von ca. 6,0 Monaten regelmäßig den sich ergebenen (beziehungsweise den leider nicht vorhandenen) Austausch mit dem AG zu diesem Dilemma. Inverzugsetzungen durch den AG existieren nicht.

Nach 6,0 Monaten ordnet der AG die Ausführung der statisch nicht ausreichenden Rinnenkörper an. Die nicht vorhandene Entwässerung vor Ort spiegelt sich mittlerweile in einer (leicht übertrieben) vorhandenen Seenplatte wieder.

Infolge der unvollständigen Leistungsbeschreibung (fehlende statische Vorgaben der Expositionsklassen) und den fehlenden (oder nicht gewünschten) fachgerechten Lastannahmen hat sich die Bauzeit signifikant verlängert. Ob respektive in welchem Umfang es zu Beschädigungen kommt, wird die Zeit zeigen.

Festzuhalten ist, dass es infolge der augenscheinlich fehlenden Kooperation sowie Koordination durch den AG die Baustelle sprichwörtlich „den Bach runter geht“.

Vor diesem Hintergrund wird einmal mehr ersichtlich, wie elementar eine umfangreiche Baustellendokumentation für die Durchsetzbarkeit von Mehrkostenansprüchen (Bauzeit) sowie die Abwehr von Gewährleistungsansprüchen ist.

Daher ist zu empfehlen, Baustellen mit solch signifikanten Auswirkungen baubetrieblich begleiten zu lassen. Hierfür steht Ihnen projekt-bau fachgerecht zur Seite.

 

(Die Rechtsprechung liefert zahlreiche weitere Beispiele der Gefahren unklarer Leistungstexte)