Die Kontroverse im täglichen Baugeschehen – Nachtragsleistung = Mehrbauzeit? (TEIL 1)

In der Vertragsabwicklung ist das Aufkommen von Nachtragsleistungen obligatorisch (tlw. in Abhängigkeit der Vertragsart). Das in vielen Fällen bereits eifrig und phasenweise abenteuerlich über Anspruchsberechtigung und / oder Anspruchshöhe gestritten wird, ist allseits bekannt. Doch damit nicht genug. Sofern ein Anspruchsgrund bejaht werden kann, stellt sich die berechtigte Frage nach der zeitlichen Auswirkungen dieser Vertragsänderung beziehungsweise Zusatzleistung. Diese Feststellung ist immanent für beide Vertragsparteien.

Es liegt auf der Hand, dass die jeweiligen Vertragspartner hier unterschiedliche Standpunkte vertreten.

In einem ersten Teil möchten wir daher einen Einblick in die bauzeitliche Bewertung von Nachtragdauern geben. Die Schilderungen sind nicht abschließend, da dieses den Rahmen sprengen würde. Bei Fragen kommen Sie gerne persönlich auf uns zurück.

In einem aktuellen Fall vertritt der Auftragnehmer für die zeitliche Nachtragsbewertung ein interessantes, nennen wir es besser irritierendes (!), Vorgehen als berechtigt.

Der Fall:

Im Zuge der Realisierung eines Brückenbauwerks (Auftragsvolumen ca. 3 Mio.-€netto) kommt es zu Nachtragsleistungen (Abrechnungsvolumen ca. 1,2 Mio.-€netto). Es ist unstrittig, dass sich hierdurch teilweise bauzeitliche Auswirkungen ergeben. Eindeutig uneinig sind sich die Vertragsparteien, welche Nachträge mit welchem Umfang eine Bauzeitverlängerung nach sich ziehen.

Zur baubetrieblichen Bewertung soll aus neutralem Standpunkt eine Begutachtung durch die projekt-bau GbR erfolgen.

Der Unternehmer geht hier im Kern wie folgt vor:

Er erstellt baubegleitend eine umfangreiche Dokumentation der täglichen Leistungen in seinem Bautagebuch. Es wird ersichtlich, dass an einigen Tagen phasenweise ausschließlich Nachtragsleistungen und teilweise auch Vertrags- und Nachtragsleistungen parallel ausgeführt werden. Die Nachtragsdauern im Bau-IST betragen gelegentlich 2 Tagesstunden bis hin zu einem vollständigen Arbeitstag. Grundsätzlich verteilen sich die einzelnen Nachtragsleistungen über mehrere Arbeitstage. Die Nachtragsvereinbarungen, in welchen die zeitlichen Auswirkungen durch den Auftragnehmer auf Forderung des Auftraggebers einzutragen sind, werden nahezu vollständig nach Realisierung der Nachtragsleistungen erstellt. Der Auftragnehmer bewertet seine Nachträge anhand der Bautagebucheintragungen. Für die jeweiligen Nachtragsleistungen werden dabei diejenigen Arbeitstage, an welchen außervertragliche Leistungen realisiert wurden, emotionslos aufaddiert. Der Gesamtbetrag soll dem Bauzeitverlängerungsanspruch entsprechen.

Der Auftraggeber wiederspricht dieser Herangehensweise, ist jedoch unschlüssig, auf welche Weise eine durchgreifende Bewertung stattfinden muss.

Was ist also zu tun?

Auf der einen Seite stehen die endverhandelten Nachtragsbeauftragungen nebst Kalkulation zur Verfügung. Auf diese Weise lassen sich in Verbindung zu den Abrechnungsmengen Lohnstunden und somit Bauzeitdauern seriös und fachgerecht auf Kalkulationsebene bestimmen. Auf der anderen Seite steht mit der erstellten Baustellendokumentation in Form der Bautagebücher ein gebrauchstaugliches Werkzeug zur Verfügung.

Es ist also einerseits zu begutachten, welche Dauern sich auf Kalkulationsebene in Verbindung zu Kapazitäteneinsätzen ergeben. Andererseits ist die Abwicklung jedes einzelnen Nachtrags mit Bezug zum tatsächlichen Bauablauf zu betrachten. Entscheidend dabei ist, die bauablaufbezogene Betrachtung jedes einzelnen Umstandes (Stichwort: bauablaufbezogene Darstellung). Eventuelle Synergien aus Vertragsleistungen, Nachtragsleistungen sowie gegebenenfalls weiterer, das Bau-SOLL beeinflussender, Umstände sind zwingend baubetrieblich zu betrachten.

Erst diese Einzelbetrachtung mit Bezug zum Gesamtkomplex “IST-Bauablauf” liefert die aus baubetrieblicher Sicht belastbaren Ergebnisse. Ein Stichwort ist an dieser Stelle natürlich der kritische Weg im Bau-SOLL und im Bau-IST. Es hat also auch eine Begutachtung des SOLL-Bauzeitenplanes und dessen Fachlichkeit sowie dem IST-Bauablauf stattzufinden. Ein stumpfes Einpflegen der Umstände in den SOLL-Bauablauf liefert ein abstraktes und nicht gebrauchstaugliches beziehungsweise fehlerhaftes Ergebnis.

Es zeigt sich, dass es bei der Abwicklung von Baustellen regelmäßig zu kontroversen Ansichten (un)berechtigter Bauzeitverlängerungsansprüche kommt. Die Begutachtung eines Baubetrieblers ist hier zu empfehlen.

 

Im zweiten Teil gehen wir auf die Mehrvergütungsansprüche und Durchsetzbarkeit im Zusammenhang mit dieser Baustelle ein.

Bei solchen baubetrieblichen Leistungen unterstützt die projekt-bau GbR Auftragnehmer sowie auch Auftraggeber. Kommen Sie also gerne auf uns zu!

 

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